„Vorbilder – Frauen machen Wissenschaft“: Neues Lunchsymposium startet im November
Anlässlich des 310. Geburtstags von Dorothea Erxleben, der ersten Ärztin Deutschlands, startet die Medizinische Fakultät die Veranstaltungsreihe „Vorbilder – Frauen machen Wissenschaft”. An fünf Terminen bieten jeweils eine Wissenschaftlerin gemeinsam mit einer Partnerin oder einem Partner aus der eigenen Einrichtung Einblicke in ihre Forschung.
Abseits der fachlichen Themen wollten wir von den Referentinnen erfahren, was ihren Werdegang geprägt hat und welche Ratschläge sie jungen Wissenschaftlerinnen mitgeben möchten. Dazu sprechen Prof. Stephanie Wallwiener (Geburtshilfe und Pränatalmedizin), Prof. Simone Hettmer (Pädiatrie I), Prof. Kerstin Bitter (Zahnerhaltungskunde und Parodontologie), Prof. Gabriele Meyer (Gesundheits- und Pflegewissenschaften) und Prof. Claudia Großmann (Physiologie) im Interview.
Was braucht es für eine erfolgreiche Karriere in der Wissenschaft – und welchen Rat würden Sie weitergeben?
Prof. Gabriele Meyer: Nachwuchswissenschaftler:innen sollten sich einer forschungsstarken Gruppe anschließen. In schwachen Gruppen ohne gutes Mentoring verkümmert jeder Enthusiasmus für die Wissenschaft und es gibt zu wenige Herausforderungen. „Fordern und fördern” ist das Motto einer starken wissenschaftlichen Keimzelle.
Prof. Claudia Großmann: Beim Aufwachsen wurde mir immer suggeriert, dass es nicht so wichtig ist, was man macht, sondern wie man es macht. Es ist also wichtiger, Aufgaben mit vollem Engagement zu meistern als immer ein konkretes Ziel exakt zu verfolgen. Diese Einstellung finde ich immer noch sehr passend.
Prof. Stephanie Wallwiener: Der beste Rat, den ich selbst erhalten habe, war eigentlich eine gute Kritik. Als ich meinen ersten Innovationsfondsantrag schrieb, ging man Woche für Woche hart mit mir ins Gericht. Dabei musste ich mich intensiv mit der Tragfähigkeit translationaler Versorgungsansätze auseinandersetzen. Bis heute hilft mir das, mein Denken zu schärfen. Aus einem Antrag wurden fünf bewilligte Innovationsfondsanträge, ein sechster ist bereits gestellt.
Was war Ihre mutigste Entscheidung bisher?
Prof. Simone Hettmer: Nach 13 Jahren in den USA hatte ich mich dazu entschlossen, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Ich hatte mit dieser Entscheidung gekämpft und mit Schwierigkeiten gerechnet. Und letztlich war das erste Jahr sogar viel schwerer als gedacht. Ich habe beinahe den Boden unter den Füßen verloren. Das war auch eine Erfahrung. Heute bin ich froh, diesen Schritt getan zu haben. Es ist gut, den eigenen Weg zu gehen.
Prof. Kerstin Bitter: Im Jahr 2007 trat ich im vierten Monat meiner Schwangerschaft einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt an, den ich einem Vortragspreis zu verdanken hatte. Ich reiste nach Minneapolis, um im Labor den Verbund zwischen Zahnhartsubstanz und verschiedenen Materialien zu analysieren. Mit vielen Daten im Gepäck reiste ich drei Monate später wieder zurück und war sehr glücklich, dass mein Sohn zum errechneten Entbindungstermin gesund in Berlin zur Welt kam.
Was hat Sie mehr geprägt: Mentor:innen oder Widerstände?
Meyer: Ganz klar meine Mentorin. Widerstände habe ich eigentlich nur wenige erlebt und wenn, konnte ich sie mit meiner Mentorin gut einordnen.
Wallwiener: Als junge Assistenzärztin wurde ich von meiner Mentorin, Prof. Corinna Reck von der LMU München, in ein eingespieltes und positives Team aufgenommen. Das hat mir persönlich viel Freude bereitet und die Forschung nicht wie eine Last, sondern als positive Abwechslung im klinischen Alltag erscheinen lassen. Ausgeprägte Widerstände in frühen Entwicklungsphasen wirken meiner Meinung nach kontraproduktiv und lassen den Willen schwinden.
Hettmer: Beides – Mentor:innen und Widerstände – haben mich geprägt. Die Widerstände wohl stärker. Aber auch Peers, also Menschen auf der gleichen beruflichen Ebene, sind unheimlich wichtig. Denn von ihnen kommt oft der beste Rat, die nützlichsten Tipps und Tricks sowie die größte Unterstützung.
Gab es für Sie ein weibliches Vorbild?
Großmann: Nicht Vorbilder, sondern meine Neugier auf funktionelle Zusammenhänge bei der Entstehung von Krankheiten hat mich in die Wissenschaft geführt. Ich bin eher zufällig in die Vollzeitforschung und -lehre geraten und habe immer in Kliniken oder Instituten gearbeitet, in denen es keine Frauen in Führungspositionen gab.
Bitter: Meine Großmutter hat nach dem Zweiten Weltkrieg gemeinsam mit ihrer Mutter ein kleines Familienunternehmen wiederaufgebaut. Sie war ihr Leben lang Geschäftsfrau, hat mit meinem wunderbaren Großvater zwei Töchter großgezogen und mich als kleines Kind immer mitgenommen, wenn etwas im Unternehmen erledigt werden musste. Sie hat an allen wichtigen Stationen meines Lebens und meiner beruflichen Laufbahn teilgehabt und war für mich ein wichtiges Vorbild.
Welche Gleichstellungsmaßnahmen haben Sie als besonders wirksam erlebt?
Meyer: Wirksam sind Quote, Auflagen, Political Correctness und die Beteiligung von Frauen – in meinem Fall auch von wenig entwickelten Disziplinen wie der Pflegewissenschaft. Nur so hatte ich in den letzten Jahren Zugang zu herausfordernden, hochrangigen Positionen und Möglichkeiten. Es reicht nicht aus, gut zu sein. Die Anachronismen sind so haftend, dass ihnen durch Verpflichtung begegnet werden muss. Das Argument der „Quotenfrau” darf nicht zu falscher Scham führen.
Und wo hapert es noch?
Hettmer: Ich finde, dass bestimmte Verhaltensweisen wie Ehrgeiz, eine gewisse Härte und Disziplin oder klare Worte bei Frauen anders bewertet werden als bei Männern. Das ist unfair.
Was motiviert an Tagen, an denen sonst nichts klappt?
Großmann: An schwierigen Tagen motivieren mich Familie und Freunde sowie verschiedene Kleinigkeiten: ein spannendes Paper, ein leckerer Kaffee, freundliche Mitmenschen oder ein schöner Sonnenuntergang.
Wallwiener: Wenn nichts klappt und ich frustriert bin, hilft mir die Arbeit mit den Patientinnen, alles andere zu vergessen und mich zu fokussieren. Die Tür zum Kreißsaal ist magisch: Alle Gedanken und Sorgen bleiben draußen.
Weitere Einblicke gibt es bei den fünf Terminen des Lunchsymposiums. Nach jeweils einem kurzen wissenschaftlichen Vortrag ist Raum für Fragen und Diskussionen. Im Anschluss laden Suppe und eine lockere Atmosphäre zum Austausch ein.
Die Reihe richtet sich insbesondere an Wissenschaftler:innen und forschungsinteressierte Ärzt:innen. Ebenfalls willkommen sind alle Interessierten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Öffentlichkeit.
Termine jeweils 12:00 Uhr – 13:00 Uhr

07. November 2025
Prof. Dr. Stephanie Wallwiener zu „Gesundheit für Frauen in allen Lebensphasen: Versorgung neu denken.“
Tandempartnerin: Prof. Dr. Eva Kantelhardt, Ernst-Grube-Str. 40, Haus 5 (Lehrgebäude), Seminarraum 1

12. Dezember 2025
Prof. Dr. Simone Hettmer zu „TP53 signaling in the initiation of pediatric sarcomas.“
Tandempartnerin: Maryam Mousavi (M. Sc.), Ernst-Grube-Str. 40, Haus 5 (Lehrgebäude), Seminarraum 1

16. Januar 2026
Prof. Dr. Kerstin Bitter zu „Zahnerhaltung im Jahr 2025 – Wie verhalten sich Grenzflächen zwischen Zahnhartsubstanzen und restaurativen Materialien?“
Tandempartner: Anh Duc Nguyen, Medizin-Campus Steintor, Magdeburger Str. 8, Seminarraum 1

06. Februar 2026
Prof. Dr. Gabriele Meyer zu „Mit Pflegeforschung einen respektvollen Umgang mit Menschen mit Demenz fördern.“
Tandempartnerin: Dr. Anja Bieber, Medizin-Campus Steintor, Magdeburger Str. 8, Seminarraum 1

20. Februar 2026
Prof. Dr. Dr. Claudia Großmann zu „Renin-Angiotensin-Aldosterone-System – Regulation of Blood Pressure and Beyond.“
Tandempartnerin: Arooj Fatima, Medizin-Campus Steintor, Magdeburger Str. 8, Seminarraum 1
