Meilenstein in der Aneurysma-Behandlung: Individuell angepasster Aortenbogen-Stent erstmals implantiert

Zwei Personen in OP-Kleidung halten einen Aorten-Stent in die Kamera. Hierbei handelt es sich um ein längliches bewegliches Röhrchen. Auf dem Röhrchen sind Auslassungen angezeichnet.

Dr. John und Dr. Ukkat (v.l.) zeigen einen Aortenbogen-Stent mit individuell angezeichneten Öffnungen.

Um ein lebensbedrohliches Aneurysma schnellstmöglich zu behandeln, haben Gefäßchirurgen der Universitätsmedizin Halle einem Patienten erstmalig eine vor Ort individuell angepasste Prothese in die herznahe Hauptschlagader eingesetzt. Der Eingriff ist der erste dieser Art in Mitteldeutschland und stellt einen weiteren großen Schritt in Richtung minimalinvasiver Gefäßchirurgie dar.

Ein Aortenaneurysma entsteht häufig als Folge von Gefäßwandschädigungen oder Bluthochdruck und kann in verschiedenen Abschnitten der Hauptschlagader (Aorta) auftreten. Die Gefäßwand wölbt sich dabei ballonartig nach außen und wird zunehmend instabil. Um das Reißen der Ausbuchtung und damit eine plötzliche, lebensbedrohliche innere Blutung zu verhindern, setzen Gefäßchirurg:innen normalerweise eine industriell hergestellte Stentprothese in das betroffene Gefäß ein. 

„Bei manchen Patient:innen ist eine Behandlung mit einem Standard-Stent nicht möglich, da dieser nicht zur Lage der abzweigenden Gefäße passt“, erklärt Dr. Endres John, Oberarzt in der Universitätsklinik und Poliklinik für Viszerale, Gefäß- und Endokrine Chirurgie (VGEC) der Universitätsmedizin Halle. „Es gibt zwar Spezialanfertigungen, diese sind allerdings in zeitkritischen Situationen aufgrund ihrer langen Lieferzeit nicht geeignet. Deshalb haben wir den Stent kurz vor der Implantation selbst unter sterilen Bedingungen mit zusätzlichen Öffnungen für abzweigende Gefäße versehen. Die modifizierte und an die Anatomie des Patienten angepasste Stentprothese konnten wir dann erfolgreich in den Aortenbogen einsetzen.“ 

Der Eingriff erfolgte minimal-invasiv, also ohne offenen Bauchschnitt. Über eine Punktion der Leistenarterie wurden ein Draht und eine Schleuse in das Gefäßsystem eingeführt und bis zur betroffenen Stelle in der Hauptschlagader vorgeschoben. Die individuell angepasste Stentprothese wurde darüber millimetergenau platziert und entfaltete sich am Ziel wie ein inneres Stützgerüst. Die vorher durch die Chirurg:innen ergänzten Öffnungen (Fenestrationen) im Stent wurden präzise auf die abzweigenden Arterien ausgerichtet, sodass die Blutversorgung erhalten blieb. Nach erfolgreicher Platzierung wurde das Kathetersystem entfernt. 

„Die Implantation einer surgeon-modified fenestrierten Stentprothese ist ein hochspezialisiertes Verfahren, das insbesondere bei Risikopatient:innen zum Einsatz kommt. Solche Eingriffe erfordern ein erfahrenes gefäßchirurgisches Team, aber auch die enge Zusammenarbeit mit Herzchirurg:innen, die im Notfall sofort eine offene Operation einleiten können“, sagt Dr. Jörg Ukkat, Leiter Gefäßchirurgie in der VGEC. „Dass wir solche komplexen Verfahren anbieten können, verdanken wir der Struktur eines Universitätsklinikums: Alle nötigen Fachabteilungen sind vor Ort und bieten unseren Patient:innen die bestmögliche Versorgung.“

Die Implantation des eigenhändig modifizierten Stents ist nicht der erste Meilenstein in der Gefäßchirurgie der Universitätsmedizin Halle. Als erster Klinik in Deutschland gelang es dem Team bereits vor einigen Jahren, eine Stentprothese mit drei Seitenabgängen, ebenfalls für die gehirn- und armversorgenden Adern, vollständig über die Leistenarterie zu implantieren. Üblicherweise ist für solche Eingriffe ein zusätzlicher Zugang über die Arm- oder Halsschlagader erforderlich. Der ausschließliche Zugang über die Leiste, der für Eingriffe im Bauchraum bereits etabliert ist, reduziert nun auch das Risiko für Komplikationen wie Schlaganfälle und verkürzt die Erholungszeit für Patient:innen.