Die zentralen Aufgaben des IMS sind Lehre und Forschung im Bereich der Medizinischen Soziologie, Gesundheitssystem und öffentliche Gesundheit, Prävention und Gesundheitsförderung sowie sozialwissenschaftliche Grundlagen der Gesundheits- und Pflegewissenschaften.
Das Institut für Medizinische Soziologie verknüpft unterschiedliche theoretische und empirische Forschungsschwerpunkte im Bereich der sozialen Determinanten von Gesundheit. Aktuelle Forschungsfragen beinhalten u.a. Forschung zur Beschreibung und Erklärung sozialer Ungleichheiten in der Gesundheit in unterschiedlichen Lebensphasen und über den Lebenslauf, vergleichende Forschung zur Kinder- und Jugendgesundheit, makrostrukturelle Determinanten der Gesundheit und Versorgungsforschung. Dabei finden quantitative und qualitative Methoden Anwendung.
Die gewonnenen Erkenntnisse werden als begutachtete Beiträge (peer-review) in internationalen Journals und praxisorientierten Publikationen und Expertisen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Die Forschungsergebnisse fließen direkt in die Lehre ein und werden im Rahmen der Lehrveranstaltungen im vorklinischen und klinischen Studienabschnitt (Medizin) und im Bachelor- und Masterstudiengang Pflege- und Gesundheitswissenschaft vermittelt.
Obwohl Medizinische Soziologie im Wesentlichen eine akademische Disziplin mit den Kernaufgaben Forschung und Lehre ist – und somit außerhalb tertiärer Lehr- und Forschungseinrichtungen als eigene Profession nur spärlich vertreten ist -, sind von ihr zusätzlich folgende Dienstleistungen zu erwarten:
- Methodenservice (Datenerhebung, Fragebogenkonstruktion)
- Erstellung von Gutachten
- Organisations- und Konfliktberatung
- Sekundärdatenanalysen
Hauptverantwortliche Ansprechpartnerin: Dr.in Irene Moor
Weitere Ansprechpartner*innen: Kristina Winter, Anna Schneider, Marie Böhm, Dr. Marie Bernard
Laufende Projekte: HBSC Deutschland, HBSC Sachsen-Anhalt, Wirkungsanalyse „Let’s be mindful!“
Abgeschlossene Forschungsprojekte: HBSC Deutschland, HBSC Sachsen-Anhalt, I-GEP, FOR2723, SupaTeen, RITA, PartJu, NutriCard, NEPS 2, SILNE-R, NEPS
Was ist Kinder- und Jugendgesundheitsforschung?
Das Kindes- und Jugendalter zählt zu den gesündesten Phasen im Leben. Dennoch zeigen sich auch hier bereits gesundheitliche Probleme und gesundheitsschädigende Verhaltensweisen, die das Wohlergehen, die Lebensqualität und die Leistungsfähigkeit auch im späteren Leben beeinträchtigen können. Zudem sind in dieser Lebensphase bereits gesundheitliche Ungleichheiten beobachtbar. Grade in dieser vulnerablen Zeit, in der vielseitige soziale und biologische Prozesse stattfinden, ergibt sich die Gefahr, dass sich negative Einflüsse in der Gesundheit manifestieren. Gleichzeitig eröffnet sich aber auch die Chance, einen positiven Einfluss auszuüben, junge Menschen bestmöglich zu stärken und ihnen ein Umfeld für ein gesundes Aufwachsen zu bieten, und damit auch die Gesundheit im späteren Alter nachhaltig zu fördern. Wie ein solches Umfeld aussehen sollte, welche Faktoren sich positiv, welche negativ auf die Gesundheit junger Menschen auswirken, wie sich die Gesundheit von Kindern- und Jugendlichen im Trend entwickelt, welche aktuellen Herausforderungen es gibt und welche Gruppen besonderer Aufmerksamkeit bedürfen – dies und mehr sind Fragen, mit denen sich die Kinder- und Jugendgesundheitsforschung auseinandersetzt.
Ausrichtung am IMS
Die AG Kinder- und Jugendgesundheit bearbeitet ein breites Spektrum an Themen, die für gesundes Aufwachsen relevant sind. Vorwiegend quantitativ untersuchen wir verschiedene Dimensionen der Gesundheit, so die Gesundheitskompetenz, das Gesundheitsverhalten (z. B. Ernährung, Bewegung und Substanzkonsum) sowie die allgemeine (psychische Gesundheit) und das Wohlbefinden. Aber auch verwandte Themen, die das Kindes- und Jugendalter tangieren, wie z. B. der Medienkonsum, die Familien- und Lebenssituation oder die Schulumwelt werden in den Blick genommen. Ziel der AG ist es, die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen im Kontext von Familie, Schule und Peers zu untersuchen.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Erfassung horizontaler (z. B. auf dem Geschlecht oder dem Migrationshintergrund beruhender) und vor allem vertikaler (auf dem sozioökonomischen Status beruhender) sozialer Ungleichheiten. Gesundheitliche Ungleichheiten zu beschreiben und zu erklären, ist uns ein eminentes Anliegen. Dabei finden sowohl Trendanalysen Anwendung, als auch längsschnittliche Untersuchungen, die den Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter analysieren. Zudem werden methodische Herausforderungen, wie die Messung des Sozialstatus im Jugendalter, in der AG berücksichtigt.
Die Ergebnisse, die am IMS im Bereich der Kindes- und Jugendgesundheit entstehen, werden u. a. an die Politik herangetragen, dienen als Grundlage für Maßnahmen der (schulischen) Gesundheitsförderung und tragen so zu einem gesunden Aufwachsen bei.
Was ist Lebenslaufforschung
Die Gesundheit des Einzelnen ist nicht allein von seiner derzeitigen Lebenssituation abhängig, vielmehr finden sich über den gesamten Lebenslauf hinweg eine Vielzahl an Faktoren und Ereignisse, deren Einfluss auf die Gesundheit über viele Jahre hinweg nachweisbar sind. So konnten beispielsweise einzelne Studien zeigen, dass bereits im Mutterleib der Grundstein für die spätere Gesundheit gelegt wird. Alkohol und Nikotin gehören dabei sicherlich zu den bekanntesten Faktoren, die nicht nur ein geringeres Geburtsgewicht oder Frühgeburten zur Folgen haben können, sondern darüber hinaus auch weitere gesundheitliche Schädigungen nach sich ziehen können, welche erst im Erwachsenenalter sichtbar werden. In der Lebenslaufforschung wird davon ausgegangen, dass neben biologischen Faktoren auch soziale Prozesse ausschlaggebend sind. Eine wesentliche Rolle spielen hier sowohl Benachteiligungen in kritischen Perioden, zu denen neben der fötalen Phase insbesondere auch die Kindheit und Jugend zählen, als auch die Anhäufung von (sozialen) Benachteiligungen und soziale Mobilität im Lebenslauf. Einflüsse auf die Gesundheit lassen sich hier sowohl in Bezug auf die subjektive Einschätzung der Gesundheit als auch im Sinne manifester Erkrankungen nachweisen.
In der Erforschung gesundheitlicher Ungleichheit wird von zwei Wirkrichtungen ausgegangen: während die Kausalthese davon ausgeht, dass soziale, materielle oder physische Faktoren zu einer schlechteren Gesundheit führen, beschreibt die Selektionsthese die Auswirkung schlechter Gesundheit auf soziale, materielle oder physische Faktoren. Kurz gesagt: Führen Benachteiligungen zu einer schlechteren Gesundheit (Kausalthese) oder zieht eine schlechte Gesundheit Benachteiligungen nach sich (Selektionsthese)? Da die Lebenslaufforschung die Entwicklung von Gesundheit und sozialen Faktoren über einen längeren Zeitraum betrachtet, sind Aussagen zu Verursachung und Selektion eher möglich. In internationalen Studien konnten primär Belege für die Kausalthese gefunden werden. In Deutschland ist eine Aussage dazu, aufgrund mangelnder Längsschnittdaten, bisher nicht möglich.
Ausrichtung am IMS
Derzeit erforscht die AG Lebenslauf den Beitrag den die verschiedenen Prozesse, die über den Lebenslauf wirken, für die Erklärung gesundheitlicher Ungleichheiten im jüngeren und mittleren Lebensalter leisten. Dazu wird sowohl soziale Mobilität als auch die Dauer und Abfolge von Benachteiligungen betrachtet. Zudem zielt die Arbeit der AG auf die Erfassung vermittelnder Faktoren. Auf der Grundlage dieser Forschung können Empfehlungen erarbeitet werden, wie bereits im Kindesalter präventiv für die spätere Gesundheit vorgesorgt werden kann.
Verantwortlich
Hauptverantwortliche Ansprechpersonen:Dr. Maria Schwenke, Pascal Samtlebe
Weitere Ansprechpersonen:Christian Heckel, Dr. Anja Knöchelmann, Dr. Irene Moor
Laufende Projekte:Pandemiereaktion der Gesundheitsämter (CoPrep), Digitaler Gesundheitslotse (DGL), Soziale Ungleichheiten bei der beruflichen Wiedereingliederung von Krebspatient*innen (MOBIL-MD), Erfahrungen mit der Long-COVID-Versorgung (PEXCARE)
Abgeschlossene Projekte (Auswahl):Lerntypen und Lernerfolg in der strukturierten Diabetesschulung (LeLeSU), Entwicklung und psychometrische Prüfung eines Instrumentes zur Messung sozialer Partizipation bei Jugendlichen (PartJu), Soziale Ungleichheiten in der Partizipation und Aktivität bei Kindern und Jugendlichen mit Leukämien, Hirntumoren und Sarkomen (SupaTeen), Essenspraktiken Jugendlicher in stationären Erziehungshilfen (ESSEN)
Was ist Versorgungsforschung?
Es handelt sich um eine fachübergreifende Forschung nahe am medizinischen Alltag. Ausgehend von der Patient*innen- und Populationsperspektive und vor dem Hintergrund komplexer Kontextbedingungen werden die Strukturen und Prozesse der Gesundheitsversorgung untersucht. Im Mittelpunkt stehen dabei die Wirksamkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit medizinischer Angebote, die Rahmenbedingungen der Versorgung (u.a. Zugang und Versorgungsgerechtigkeit) sowie die Bedürfnisse und Erfahrungen der Patient*innen und der Mitarbeitenden im Gesundheitssektor. Ziel ist es, Versorgungsprozesse umfassend zu verstehen, zu bewerten und kontinuierlich zu verbessern. So entsteht eine bedarfsgerechte, effiziente und nachhaltige Gesundheitsversorgung, die sowohl Patient*innen als auch Beschäftigte gleichermaßen berücksichtigt und unterstützt.
Ausrichtung am IMS
Die Versorgungsforschung am Institut für Medizinische Soziologie ist divers aufgestellt und nimmt in einer Vielzahl der Projekte soziale Ungleichheit in den Blick. Dabei finden sowohl qualitative als auch quantitative Methoden sowie Mixed-Methods-Designs Anwendung. Neben der Erhebung von Primärdaten wird auch auf Routinedaten (Sekundärdaten) zur Beantwortung der jeweiligen Forschungsfragen zurückgegriffen.
Aktuelle Forschungsschwerpunkte widmen sich organisationalen Aspekten der Versorgung, und den Perspektiven von Krankheit betroffener Personen in Therapie und Rehabilitation. Wir nehmen dabei sowohl strukturelle Probleme in den Blick als auch individuelle Erfahrungen Betroffener und Mitarbeitender im Gesundheitswesen und im öffentlichen Gesundheitsdienst. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Corona-Pandemie und deren Folgen sowie auf die Digitalisierung im Gesundheitswesen gelegt.
Hauptverantwortlicher Ansprechpartner: Dennis Jepsen
Weitere Ansprechpartner*innen: Kristina Winter,Christian Heckel
Laufende Projekte: AddSex, HBSC
Abgeschlossene Projekte: METH_MD, UMR
Unser psychisches Wohlbefinden hat einen enormen Einfluss auf unsere Alltagsgestaltung, Dynamiken in wichtigen Beziehungen sowie nicht zuletzt unsere körperliche und mentale Gesundheit. Aktuelle oder in der Vergangenheit liegende Belastungen, Stresssituationen, einschneidende Erlebnisse sowie prekäre Lebensumstände können im Zusammenspiel mit biologischen Faktoren enorme Risikofaktoren zur Entstehung weitreichender gesundheitlicher Probleme darstellen. Andersherum können somatische Erkrankungen mit psychischen Belastungen einhergehen, welche den Genesungsprozess erschweren können. Die AG Psychische Gesundheit widmet sich der Beforschung von Mechanismen und Pfaden der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Erkrankungen und verfolgt in diesem Rahmen die Ziele, Implikationen zur Optimierung der psychosozialen Versorgungsstruktur und individuellen Behandlung von Betroffenen sowie Strategien zum Schutz der psychischen Gesundheit auf Individualebene und Ebene der Gesundheitspolitik unter Beachtung gesundheitlicher und geschlechtsspezifischer Ungleichheiten abzuleiten.
Ausrichtung am IMS
Am IMS wird zur Forschung im Bereich psychische Gesundheit ein ganzheitlicher sowie interdisziplinärer Ansatz verfolgt, der sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene fokussiert. Dabei wird auf die Kombination sozialmedizinischer, psychologischer und soziologischer Ansätze zurückgegriffen sowie um Perspektiven der Sexualwissenschaft, Psychotraumatologie und Gewaltforschung erweitert. Kernthemen aktueller Forschung sind dabei vor Allem:
- Gewalt in Paarbeziehungen
- Traumata in Kindheit und Jugend
- Posttraumatische Belastung
- Substanzkonsum und Substanzabhängigkeit
- Psychosoziale Determinanten von Gesundheit & Krankheit
Den Forschenden liegt dabei die Ableitung praktischer Implikationen für die interdisziplinäre Versorgung Betroffener besonders am Herzen, wobei Schnittstellenproblematiken in den Bereichen der Medizin, Psychotherapie und Sozialpsychiatrie adressiert werden.
Hauptverantwortliche*r Ansprechpartner*in: Kristina Winter
Weitere Ansprechpartner*innen: Dennis Jepsen, Marie Böhm
Laufende Projekte: HBSC ST, HBSC, ADDSEX
Forschung im Bereich der SRGR
Sexuelle und reproduktive Gesundheit ist ein zentraler Bestandteil der allgemeinen Gesundheit und des individuellen Wohlbefindens. Sie umfasst körperliche, psychische, soziale und rechtliche Dimensionen von Sexualität und Fortpflanzung und steht in engem Zusammenhang mit Fragen von Autonomie, Gleichberechtigung und sozialer Teilhabe. Forschung in diesem Feld untersucht nicht nur Gesundheitsaspekte, sondern auch die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen Menschen über ihren Körper, ihre Sexualität und ihre reproduktiven Entscheidungen bestimmen können.
Ein gerechter Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheitsversorgung ist eine Grundvoraussetzung für gesundheitliche Chancengleichheit. Besonders Jugendliche, Frauen, queere Personen, Menschen mit Behinderung sowie Personen mit Migrations- oder Fluchterfahrung sind häufig strukturellen Benachteiligungen und Diskriminierung ausgesetzt. Bildung, Aufklärung und barrierefreie Versorgungsangebote wirken dem entgegen und tragen dazu bei, Selbstbestimmung und Inklusion zu fördern.
Darüber hinaus beschäftigt sich die Forschung in diesem Bereich mit Themen wie ungewollten Schwangerschaften, sicherem Schwangerschaftsabbruch, sexueller Gewalt, reproduktiver Autonomie sowie der Prävention sexuell übertragbarer Infektionen. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zum Abbau von Tabus und Stigmatisierung und stärkt damit gesellschaftliche Offenheit, Gerechtigkeit und Menschenrechte.
Ausrichtung am IMS
Die Arbeitsgruppe „Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Gerechtigkeit“ verfolgt einen interdisziplinären Forschungsansatz, der sozialmedizinische, gesundheitswissenschaftliche, soziologische, gender- und sozialwissenschaftliche Perspektiven verbindet. Ziel ist es, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu gewinnen, die Ungleichheiten sichtbar machen, diskriminierende Strukturen abbauen und einen gerechten Zugang zu Gesundheitsleistungen, Aufklärung und Schutz fördern.
Ein zentraler Fokus liegt auf der Untersuchung sozialer, kultureller und struktureller Faktoren, die Einfluss auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte nehmen. Die AG setzt sich für die Stärkung von Autonomie und die Chancengleichheit im Zugang zu umfassender gesundheitlicher Versorgung und Bildungsangeboten ein.
Die Schwerpunkte der AG umfassen:
- Sexuelle Bildung und Aufklärung: Rolle von Bildungseinrichtungen und Zivilgesellschaft in der Vermittlung von Wissen und Empowerment.
- Ungleichheiten im Zugang zur Beratung und Versorgung: Soziale, kulturelle und strukturelle Barrieren beim Zugang zu Beratungs- und Versorgungsangeboten.
- Stigmatisierung und Diskriminierung: Auswirkungen gesellschaftlicher Tabus auf Wahrnehmung, Verhalten und Gesundheit.
- Sensible Themenfelder: Forschung zu ungewollter Schwangerschaft, (sicherem) Schwangerschaftsabbruch, sexueller Gewalt und reproduktiver Autonomie.
Die AG strebt einen engen Austausch und eine Zusammenarbeit mit Praxispartner*innen, politischen Entscheidungsträger*innen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen an. Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse und Praxiserfahrungen miteinander zu verbinden und in gemeinsame Handlungsempfehlungen zu überführen. Durch diesen Dialog sollen Impulse für eine inklusive, diskriminierungsfreie und gerechte Gestaltung sexueller und reproduktiver Gesundheit in Forschung, Beratung, Versorgung und Politik entstehen.
