Soziale Faktoren spielen eine bedeutende Rolle in der Entstehung und Entwicklung von Krankheit. Die sozialen Verhältnisse bestimmen nicht nur die Wahrscheinlichkeit von Krankheit und vorzeitigem Tod, sie beeinflussen ebenso die Chancen für eine Erhaltung und Wiederherstellung von Gesundheit. Die Medizinische Soziologie setzt an dieser Schnittstelle zwischen Medizin und Gesellschaft an und erforscht die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Einflüsse sowie die Struktur und Funktion des medizinischen Versorgungssystems. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sind für ärztliches Handeln sowie für die Gesundheitspolitik von Bedeutung, da sie zu einer Verbesserung der Prävention und Therapie von Krankheiten beitragen. Die Medizinische Soziologie ist damit eine unverzichtbare Ergänzung zum biowissenschaftlichen Forschungsprogramm der Medizin.
Die Forschungsaktivitäten des IMS umfassen ein breites Spektrum an Themen und sind in drei wissenschaftliche Schwerpunkte untergliedert, die unter dem Dach der sozialen Determinanten der Gesundheit zusammengefasst sind:
Hauptverantwortliche Ansprechpartnerin: Dr. Irene Moor
Weitere Ansprechpartner*innen: Kristina Winter, Anna Schneider, Marie Böhm, Dr. Marie Bernard
Laufende Projekte:HBSC Deutschland, HBSC Sachsen-Anhalt, Wirkungsanalyse „Let’s be mindful!“
Abgeschlossene Forschungsprojekte:HBSC Deutschland, HBSC Sachsen-Anhalt, I-GEP, FOR2723, SupaTeen, RITA, PartJu, NutriCard, NEPS 2, SILNE-R, NEPS
Was ist Kinder- und Jugendgesundheitsforschung?
Das Kindes- und Jugendalter zählt zu den gesündesten Phasen im Leben. Dennoch zeigen sich auch hier bereits gesundheitliche Probleme und gesundheitsschädigende Verhaltensweisen, die das Wohlergehen, die Lebensqualität und die Leistungsfähigkeit auch im späteren Leben beeinträchtigen können. Zudem sind in dieser Lebensphase bereits gesundheitliche Ungleichheiten beobachtbar. Grade in dieser vulnerablen Zeit, in der vielseitige soziale und biologische Prozesse stattfinden, ergibt sich die Gefahr, dass sich negative Einflüsse in der Gesundheit manifestieren. Gleichzeitig eröffnet sich aber auch die Chance, einen positiven Einfluss auszuüben, junge Menschen bestmöglich zu stärken und ihnen ein Umfeld für ein gesundes Aufwachsen zu bieten, und damit auch die Gesundheit im späteren Alter nachhaltig zu fördern. Wie ein solches Umfeld aussehen sollte, welche Faktoren sich positiv, welche negativ auf die Gesundheit junger Menschen auswirken, wie sich die Gesundheit von Kindern- und Jugendlichen im Trend entwickelt, welche aktuellen Herausforderungen es gibt und welche Gruppen besonderer Aufmerksamkeit bedürfen – dies und mehr sind Fragen, mit denen sich die Kinder- und Jugendgesundheitsforschung auseinandersetzt.
Ausrichtung am IMS
Die AG Kinder- und Jugendgesundheit bearbeitet ein breites Spektrum an Themen, die für gesundes Aufwachsen relevant sind. Vorwiegend quantitativ untersuchen wir verschiedene Dimensionen der Gesundheit, so die Gesundheitskompetenz, das Gesundheitsverhalten (z. B. Ernährung, Bewegung und Substanzkonsum) sowie die allgemeine (psychische Gesundheit) und das Wohlbefinden. Aber auch verwandte Themen, die das Kindes- und Jugendalter tangieren, wie z. B. der Medienkonsum, die Familien- und Lebenssituation oder die Schulumwelt werden in den Blick genommen. Ziel der AG ist es, die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen im Kontext von Familie, Schule und Peers zu untersuchen.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Erfassung horizontaler (z. B. auf dem Geschlecht oder dem Migrationshintergrund beruhender) und vor allem vertikaler (auf dem sozioökonomischen Status beruhender) sozialer Ungleichheiten. Gesundheitliche Ungleichheiten zu beschreiben und zu erklären, ist uns ein eminentes Anliegen. Dabei finden sowohl Trendanalysen Anwendung, als auch längsschnittliche Untersuchungen, die den Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter analysieren. Zudem werden methodische Herausforderungen, wie die Messung des Sozialstatus im Jugendalter, in der AG berücksichtigt.
Die Ergebnisse, die am IMS im Bereich der Kindes- und Jugendgesundheit entstehen, werden u. a. an die Politik herangetragen, dienen als Grundlage für Maßnahmen der (schulischen) Gesundheitsförderung und tragen so zu einem gesunden Aufwachsen bei.
Hauptverantwortliche*r Ansprechpartner*in: Dr. Anja Knöchelmann
Weitere Ansprechpartner*innen: Tobias Rähse
Laufende Projekte:JOB:AGE, SOCIO:AGE
Abgeschlossene Projekte: SOEP,SOEP II, HBS
Was ist Lebensverlaufs- und Alternsforschung?
Die Gesundheit eines Menschen ist nicht allein von seiner aktuellen Lebenssituation abhängig, sondern wird durch eine Vielzahl an Faktoren und Ereignissen geprägt, die sich über den gesamten Lebensverlauf erstrecken.
Bereits im Mutterleib werden entscheidende Weichen für die spätere Gesundheit gestellt. So können Einflüsse wie Alkohol- oder Nikotinkonsum aber auch Stress und Belastungen während der Schwangerschaft nicht nur mit einem geringeren Geburtsgewicht oder Frühgeburten verbunden sein, sondern auch mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die erst im späteren Leben sichtbar werden.
Dabei spielen sowohl Benachteiligungen in kritischen und sensiblen Lebensphasen – die sich neben der fötalen Phase auch über Kindheit und Jugend bis ins Erwachsenenalter erstrecken können – als auch die kumulative Wirkung sozialer Benachteiligungen und die soziale Mobilität über den Lebensverlauf hinweg eine wesentliche Rolle. Diese Relevanz lässt sich sowohl in der subjektiven Gesundheitswahrnehmung, der gesundheitsbezogenen Lebensqualität als auch in manifesten Erkrankungen und letztlich Mortalität beobachten.
Da die Lebensverlaufsforschung die Entwicklung von Gesundheit und sozialen Faktoren über einen längeren Zeitraum betrachtet, liefert sie wichtige Einblicke in die grundlegenden Wirkmechanismen gesundheitlicher Ungleichheit. Besonders bedeutsam ist dies vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der alternden Bevölkerung, weshalb eine Fortführung der Betrachtung auf Alterungsprozesse im Allgemeinen und beschleunigtes Altern im Besonderen angeraten erscheint
Ausrichtung am IMS
Die AG Lebensverlaufs- und Alternsforschung widmet sich der kumulativen Wirkung sozialer Benachteiligung, wobei neben sozioökonomischen Faktoren auch materielle und psychosoziale Benachteiligungen betrachtet werden. Nachdem initial eher unmittelbare Effekte auf die Gesundheit untersucht wurden, wird nunmehr eine langfristigere Perspektive eingenommen, in der die Auswirkungen gesundheitlicher Ungleichheit auf Alterungsprozesse im Mittelpunkt stehen.
Hierfür werden über die üblichen Wirkmechanismen hinaus auch biologische Komponenten des (beschleunigten) Alterns betrachtet, wobei sowohl epigenetische Uhren als auch Marker der Zellalterung einbezogen werden. Dabei wird ebenfalls untersucht, welche Relevanz das Erleben von Benachteiligung in verschiedenen Lebensphasen hat.
Unsere Forschung richtet sich somit verstärkt auf die Untersuchung sozialer Faktoren und deren Wechselwirkungen mit biologischen Prozessen im Lebensverlauf („Social-to-Bio-Perspektive“) um deren Bedeutung für Gesundheit und Altern besser zu verstehen.
Um dabei soziale, biologische und medizinische Aspekte ganzheitlich betrachten zu können, arbeiten wir interdisziplinär mit weiteren Fachbereichen wie der (Bio-)Gerontologie, Geriatrie und Arbeitsmedizin zusammen.
Hauptverantwortliche Ansprechpersonen: Dr. Maria Schwenke, Pascal Samtlebe
Weitere Ansprechpersonen: Christian Heckel, Dr. Anja Knöchelmann, Dr. Irene Moor
Laufende Projekte: Pandemiereaktion der Gesundheitsämter (CoPrep), Digitaler Gesundheitslotse (DGL), Soziale Ungleichheiten bei der beruflichen Wiedereingliederung von Krebspatient*innen (MOBIL-MD), Erfahrungen mit der Long-COVID-Versorgung (PEXCARE)
Abgeschlossene Projekte (Auswahl): LeLeSU, PartJu, SupaTeen, ESSEN
Was ist Versorgungsforschung?
Es handelt sich um eine fachübergreifende Forschung nahe am medizinischen Alltag. Ausgehend von der Patient*innen- und Populationsperspektive und vor dem Hintergrund komplexer Kontextbedingungen werden die Strukturen und Prozesse der Gesundheitsversorgung untersucht. Im Mittelpunkt stehen dabei die Wirksamkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit medizinischer Angebote, die Rahmenbedingungen der Versorgung (u.a. Zugang und Versorgungsgerechtigkeit) sowie die Bedürfnisse und Erfahrungen der Patient*innen und der Mitarbeitenden im Gesundheitssektor. Ziel ist es, Versorgungsprozesse umfassend zu verstehen, zu bewerten und kontinuierlich zu verbessern. So entsteht eine bedarfsgerechte, effiziente und nachhaltige Gesundheitsversorgung, die sowohl Patient*innen als auch Beschäftigte gleichermaßen berücksichtigt und unterstützt.
Ausrichtung am IMS
Die Versorgungsforschung am Institut für Medizinische Soziologie ist divers aufgestellt und nimmt in einer Vielzahl der Projekte soziale Ungleichheit in den Blick. Dabei finden sowohl qualitative als auch quantitative Methoden sowie Mixed-Methods-Designs Anwendung. Neben der Erhebung von Primärdaten wird auch auf Routinedaten (Sekundärdaten) zur Beantwortung der jeweiligen Forschungsfragen zurückgegriffen.
Aktuelle Forschungsschwerpunkte widmen sich organisationalen Aspekten der Versorgung, und den Perspektiven von Krankheit betroffener Personen in Therapie und Rehabilitation. Wir nehmen dabei sowohl strukturelle Probleme in den Blick als auch individuelle Erfahrungen Betroffener und Mitarbeitender im Gesundheitswesen und im öffentlichen Gesundheitsdienst. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Corona-Pandemie und deren Folgen sowie auf die Digitalisierung im Gesundheitswesen gelegt.
Hauptverantwortlicher Ansprechpartner: Dennis Jepsen
Weitere Ansprechpartner*innen: Kristina Winter, Christian Heckel
Laufende Projekte: AddSex, HBSC
Abgeschlossene Projekte: METH_MD, UMR
Was ist Forschung im Bereich der psychischen Gesundheit?
Unser psychisches Wohlbefinden hat einen enormen Einfluss auf unsere Alltagsgestaltung, Dynamiken in wichtigen Beziehungen sowie nicht zuletzt unsere körperliche und mentale Gesundheit. Aktuelle oder in der Vergangenheit liegende Belastungen, Stresssituationen, einschneidende Erlebnisse sowie prekäre Lebensumstände können im Zusammenspiel mit biologischen Faktoren enorme Risikofaktoren zur Entstehung weitreichender gesundheitlicher Probleme darstellen. Andersherum können somatische Erkrankungen mit psychischen Belastungen einhergehen, welche den Genesungsprozess erschweren können.
Ausrichtung am IMS
Am IMS wird zur Forschung im Bereich psychische Gesundheit ein ganzheitlicher sowie interdisziplinärer Ansatz verfolgt, der sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene fokussiert. Dabei wird auf die Kombination sozialmedizinischer, psychologischer und soziologischer Ansätze zurückgegriffen sowie um Perspektiven der Sexualwissenschaft, Psychotraumatologie und Gewaltforschung erweitert. Kernthemen aktueller Forschung sind dabei vor Allem:
- Gewalt in Paarbeziehungen
- Traumata in Kindheit und Jugend
- Posttraumatische Belastung
- Substanzkonsum und Substanzabhängigkeit
- Psychosoziale Determinanten von Gesundheit & Krankheit
Innerhalb der Forschungsprojekte werden dabei insbesondere Mechanismen und Pfade der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Erkrankungen in den Fokus genommen. Eine besondere Beachtung finden dabei Aspekte wie soziale Ungleichheiten, geschlechts- bzw. genderspezifische Unterschiede, soziale Rollen, Stigmatisierungserfahrungen sowie die Wirkung sozialer Netzwerke und gesellschaftlicher Strukturen. Die AG verfolgt in diesem Rahmen die Ziele, Implikationen zur Optimierung der psychosozialen Versorgungsstruktur und individuellen Behandlung von Betroffenen sowie Strategien zum Schutz der psychischen Gesundheit auf Individualebene und Ebene der Gesundheitspolitik abzuleiten. Den Forschenden liegt dabei die Ableitung praktischer Implikationen für die interdisziplinäre Versorgung Betroffener besonders am Herzen, wobei Schnittstellenproblematiken in den Bereichen der Medizin, Psychotherapie sowie der psychosozialen Versorgung adressiert werden.


