Die Bezeichnung Akustikusneurinom ist eine historisch gewachsene Bezeichnung, die auch heute noch gebräuchlich ist. Aktuell wissen wir aber, dass die Tumore in den allermeisten Fällen von den Stützzellen des Gleichgewichtsnerven ausgehen und daher korrekt als Vestibularisschwannom bezeichnet werden. Die Stützzellen ummanteln den Nerv, ähnlich wie eine Isolierung das elektrisches Kabel ummantelt. Der Tumor wächst in der Regel langsam und es kann vorkommen, dass er auch über Jahre keine Größenzunahme zeigt.

Typische Symptome des Akustikusneurinoms sind die Hörstörung und die Gleichgewichtsstörung. Diese können plötzlich einsetzen oder aber auch langsam voranschreiten, sodass die PatientInnen zunächst nur sehr wenig Beschwerden hat.

Eine einseitige Schwerhörigkeit wird von den PatientInnen häufig daran bemerkt, dass  mit dem entsprechenden Ohr nicht mehr telefoniert werden kann; das räumliche Hören ist eingeschränkt und der Aufenthalt in Räumlichkeiten mit ausgeprägter Lautstärke (Großraumbüro, Gaststätten) wird zunehmend als Belastung empfunden. Charakteristisch ist auch das fehlende Verständnis für Sprache, wenngleich bei der Tonaudiometrie, bei der lediglich einzelne Töne getestet werden, das Ergebnis oftmals über das Ausmaß der Hörstörung hinwegtäuscht.

Das zweite charakteristische Symptom sind Gleichgewichtsstörungen. Typischerweise handelt es sich um einen unbestimmten Schwankschwindel; seltener berichten PatientInnen auch von Drehschwindelattacken, die bei raschen Kopfbewegungen auftreten. Die Gleichgewichtsstöungen macht sich vor allen Dingen in der Dämmerung und im Dunkeln bemerkbar.

Zusätzliche Symptome, die die PatientInnen auf Nachfrage oft angeben sind ein Druckgefühl um das entsprechende Ohr herum, ein Fremdkörpergefühl im äußeren Gehörgang oder Geschmacksstörungen auf der Zungenspitze.

 

 

Abwarten, Bestrahlung oder Operation ?

Die Größe eine Akustikusneurinoms bei der Erstdiagnose und das Wachstumsverhalten im zeitlichen Verlauf sind die wichtigsten Einflussgrößen auf die Frage der Behandlung. Bei kleineren Tumoren, die sich auf den inneren Gehörgang beschränken oder geringfügig gegen das Hirn vorwachsen, empfehlen wir ein abwartendes Vorgehen. 6 Monate nach dem ersten MRT sollte eine zweite MRT-Kontrolle durchgeführt werden. In etwa 10 % der PatientInnen wächst der Tumor rasch und sollte daher behandelt werden. In den übrigen Fällen sind Kontrollen in jährlichen Abständen ausreichend.

Sollte der Tumor wachsen, ist es letztlich die persönliche Präferenz des Patienten, ob er sich eher bestrahlen lassen oder den Tumor entfernt haben möchte. Größere Tumoren, die den Hirnstamm erreichen oder verdrängen, sollten eher operiert werden. Bei der Operation werden zwei Strategien unterschieden: Die radikale Entfernung des gesamten Tumors und die Verkleinerung des Tumors, um den Hörnerven zu erhalten, mit anschließender Bestrahlung.

Es stehen auch verschiedene Operationszugänge zur Verfügung, wobei im Wesentlichen unsere HNO-Kollegen den sogenannten translabyrinthären Weg durch den Knochen des Innenohrs wählen, der zwangsläufig zu einem Hörverlust führt. In der Neurochirurgie ist der retrosigmoidale Zugang am Kleinhirn entlang der bevorzugte Zugang. Dieser Weg hat den Vorteil, dass grundsätzlich hörerhaltend operiert werden kann. Bei der operativen Versorgung legen wir sehr viel Wert auf den Erhalt der Nervenfunktion. Dazu nutzen wir das neurophysiologische Monitoring, um trotz radikaler Operation bestmögliche Ergebnisse hinsichtlich der Funktion von Gesichts- und Hörnerv zu erhalten. Zudem liegt ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit in der Neuroprotektion. Das bedeutet, dass Medikamente zum Einsatz kommen, die ein besseres Ergebnisse hinsichtlich der Nervenfunktion ermöglichen.

 

 

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass für diesen gutartigen Tumor doch verschiedene Möglichkeiten der Therapie zur Verfügung stehen und sich die einzelnen Therapieformen, sei es Strahlentherapie, sei es Operation, auch wiederum in verschiedene Optionen aufteilen lassen. Wenn „viele Wege nach Rom“ führen, ist keiner optimal und jeder mit Nachteilen behaftet. Welcher Weg für welche PatientInnen der ideale ist, lässt sich nur in einem persönlichen Gespräch herausfinden.

Am Universitätsklinikum Halle ist es uns wichtig unsere PatientInnen umfassend zu beraten. Im Rahmen des Tumorboards unseres zertifizierten neuroonkologischen Zentrums werden daher alle Fälle gemeinsam den KollegInnen der HNO und der Strahlentherapie besprochen und es entsteht eine interdisziplinäre Therapieempfehlung.   

Sollten Sie für sich und Ihre Angehörigen einen Beratungsbedarf sehen, bitte ich um eine telefonische Kontaktaufnahme unter 0345 557-1407 oder eine E-Mail-Anfrage an neurochirurgie☉uk-halle.de.