Die Hallesche Herz- und Thoraxchirurgie blickt seit 1952 sowohl auf eine besondere Historie, vor allem im Kontext der DDR-Geschichte, als auch viele herausragende Persönlichkeiten zurück, welche sich Zeit Ihres Wirkens als Leiter bzw. Direktoren der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie um die Universitätsmedizin in Halle (Saale) an sich und den Standort im Herzen Mitteldeutschlands verdient gemacht haben.

Auf den nachfolgenden Seiten haben wir Ihnen daher Interessantes und Wissenwertes zur geschichtlichen Entwicklung der halleschen Herz- und Thoraxchirurgie in unserer Klinik zusammengestellt.

1952 1. Lungenoperation an der Chirurgischen Universitätsklinik (Oberlappenresektion = Entfernung eines Oberlappens)
1961/62 Entwicklung der ersten Herz-Lungen-Maschine in der DDR (durch die Professoren Karl-Ludwig Schober, Rainer Panzner, Günther Baust und Fritz Struß)
03.04.1962 1. Operation am offenen Herzen mit Einsatz der Herz-Lungenmaschine (Verschluss eines ASD) in der Chirurgischen Universitätsklinik
01.06.1965 1. Implantation eines Herzschrittmachers
27.10.1965 1. Implantation einer künstlichen Herzklappe (Starr-Edwards-Prothese)
17.01.1978 1. Operation an den Herzkranzgefäßen
01.10.1987 Trennung der Abteilung für Herz- und Thoraxchirurgie der Chirurgischen Universitätsklinik in zwei selbstständige Bereiche (Abteilungen) - Abteilung für Herzchirurgie: Leiter Prof. Dr. med. habil. R. Panzner / Abteilung für Thoraxchirurgie: Leiter Prof. Dr. sc. med. H. Neef
20.04.1990 Jüngster Patient (geb. am 04.03.1990) bekommt einen Herzschrittmacher vom Typ OPUS transvenös implantiert
06.10.1992 1. Herzklappenoperation, bei der eine menschliche Spenderklappe (Homograft) benutzt wurde
16.05.1994 Umbenennung der Klinik für Herzchirurgie in die Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie
28.10.1994 Gründung des Transplantationszentrums des Bundeslandes Sachsen-Anhalt (gleichzeitig das erste Zentrum in den Neuen Bundesländern)
15.12.1994 1. Implantation eines Defibrillators bei einem Patienten aus Sachsen-Anhalt
14.07.1995 1. Herztransplantation in Sachsen-Anhalt
20.03.1996 Übernahme und Inbetriebnahme der eigenen Herzchirurgischen Intensivstation (HTC1) mit 12 Betten
04.09.1996 5.000. Operation mit Einsatz der Herz-Lungen-Maschine
28.06.2001 10.000. Operation mit Einsatz der Herz-Lungen-Maschine
03.04.2002 40 Jahre Herzchirurgie in Halle (Saale)
2002 Abschluss eines Kooperationsvertrages zwischen der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität und dem Herzzentrum Coswig
03.04.2012 Jubiläumssymposium: 50-jähriges Jubiläum der ersten Herz-Operation mit Hilfe der halleschen Herz-Lungen-Maschine (100. Geburtstag von Prof. Karl-Ludwig Schober)
2014 Gründung des Herzzentrums Halle
01.09.2015 Kooperation mit Krankenhaus Martha-Maria in Halle-Dölau (als Regionalem Lungenkrebszentrum) zur stationären Krankenversorgung im Bereich der Thoraxchirurgie: Aufteilung thoraxchirurgischer Eingriffe nach Indikation: onkologisch / pneumologisch (KH Dölau) vs. HLM-Einsatz (UKH) mit Rückbenennung der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie (HTC) in Klinik für Herzchirurgie (HCH)
2016 Gründung des Mitteldeutschen Herzzentrums (MDHZ) am Universitätsklinikum Halle (Saale) und Inbetriebnahme der herzchirurgisch / kardiologisch geführten Interdisziplinären Intensivbehandlungseinheit IBE22/23 PG1-3 mit 40 Betten (LOC1-3)
Autor: Manfred Herrmann, 2002
1966 - 1972 Univ.-Prof. Dr. med. habil. Dr. hc. Karl-Ludwig Schober  
1972 - 1992 Univ.-Prof. Dr. med. habil. Rainer Panzner  
1992 OA Dr. sc. med. Hans-Georg Wollert (kommissarisch)
1992 - 1993 Univ.-Prof. Dr. med. Wolfgang Konertz (kommissarisch)
1993 - 1994 OA Dr. med. Manfred Herrmann (kommissarisch)
1994 - 1998 Univ.-Prof. Dr. med. Hans-Reinhard Zerkowski  
1998 - 2015 Univ.-Prof. Dr. med. Rolf-Edgar Silber  
2015 - 2018 Univ.-Prof. Dr. med. Hendrik Treede  
2018 - 2020 OÄ PD Dr. med. habil. Britt Hofmann (kommissarisch)
seit 2020 Univ.-Prof. Dr. med. habil. Gábor Szabó, PhD  
     
1987 - 1998 Univ.-Prof. Dr. med. habil. Heinz Neef (Leiter der Sektion Thoraxchirurgie)

Was wäre die Medizin ohne Visionäre? Was wäre der medizinische Fortschritt ohne den Mut und die Ausdauer von Ärzten, die ihre Träume im Dienste ihrer Patienten unermüdlich verfolgen?

Professor Karl-Ludwig Schober (1912–1999), bekanntester Herzchirurg der DDR, war solch ein Arzt aus Leidenschaft. Bis zur Verwirklichung seines Traums in Gestalt der ersten halleschen Herz-Lungen-Maschine war es ein langer Weg durch zwei Diktaturen und über viele Hindernisse hinweg.

Am 13. Juli 1912 wurde er geboren. Sein Medizinstudium absolvierte Karl-Ludwig Schober in Graz (Steiermark), Freiburg im Breisgau, Halle (Saale) und Innsbruck. Nach dem medizinischen Staatsexamen 1935 arbeitete er 1935/36 als Medizinalpraktikant an der Universitätsfrauenklinik Halle (Saale) und 1936/37 an der Medizinischen Universitätspoliklinik Halle als Volontärarzt. Seine Approbation als Arzt erhielt er 1936 und promovierte 1937. Die NS-Rassengesetze erlaubten ihm wegen seines jüdischen Urgroßvaters keine akademische Karriere. In einer Privatklinik, der „Heilanstalt Weidenplan“ zu Halle, bekam er von 1937 bis 1942 eine Anstellung als Assistenzarzt. Obwohl er als Arzt nicht verpflichtet war, in der Wehrmacht zu dienen, meldete Karl-Ludwig Schober sich Ende 1942 freiwillig zum Wehrdienst und versorgte als Sanitätsoffizier die Verwundeten in Gumrak und Stalingrad. 1943 wurde er im Stalingrad-Kessel in russische Kriegsgefangenschaft genommen, aus der er erst 1948 in seine Heimatstadt Halle (Saale) zurückkehrte. 

Nach Intermezzi am halleschen Krankenhaus Weidenplan und am Krankenhaus Weißenfels erhielt er noch im gleichen Jahr eine Anstellung als Assistenzarzt an der Chirurgischen Universitätsklinik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (1951 Anerkennung als Facharzt für Chirurgie), wirkte in den kommenden Jahren auf den Gebieten der Viszeral-, Kinder-, Thorax- und Herzchirurgie und habilitierte sich 1954.

Die schon unter Professor Budde begonnene Spezialisierung der Chirurgie in Halle (Saale) wurde durch Professor Mörl und mit wesentlicher Unterstützung durch Karl-Ludwig Schober weiter vorangetrieben. Aus der bisherigen Chirurgie für „Alles“ etablierten sich zum Beispiel die Abteilungen für Traumatologie, Thoraxchirurgie, Gefäßchirurgie, Kinderchirurgie und Anästhesiologie. 

1959 wurde Karl-Ludwig Schober zum außerordentlichen Professor mit Lehrauftrag und 1960 zum Professor mit vollem Lehrauftrag für das Fachgebiet der Chirurgie ernannt, erhielt 1965 seine Facharztanerkennung für das Gebiet der Kinderchirurgie, wurde 1965 zum Professor mit Lehrstuhl für das Fachgebiet Chirurgie ernannt und 1966 zum Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik in Halle (Saale) bestellt. Ab seinem Amtsantritt beschäftigte er sich intensiv mit der Weiterentwicklung der Herz- und Gefäßchirurgie und betreute selbst die Abteilungen für Thorax- und Kinderchirurgie. Im Jahre 1969 wählte ihn die Deutsche Akademie der Naturforscher „Leopoldina“ zum Mitglied. 

Eine von Schobers herausragendsten Leistungen für die Medizin war zweifellos die Entwicklung der halleschen Herz-Lungen-Maschine (HLM) und damit die Möglichkeit, auch in Halle (Saale) am offenen Herzen kleine und große Patienten behandeln zu können. Die DDR-Realität in den 50er- und 60er-Jahren: Planzwänge, Mangelwirtschaft, Restriktionen. Für das hallesche Universitätsklinikum war in den staatlichen Planungen der Kauf einer HLM, wie sie bereits seit 1953 durch Gibbon (USA) erfolgreich eingesetzt wurde, nicht vorgesehen. Aufgeben, sich unterordnen wäre leicht gewesen. Karl-Ludwig Schober wählte den schwierigeren Weg und baute die dringend benötigte Maschine mit Unterstützung seines Teams (Ärzte, Physiker, Chemiker, Schwestern, Pfleger und MTA's), des Privatinstituts von Manfred von Ardenne in Dresden und von Kollegen aus München selbst – eine Initialzündung die Entwicklung der Herzchirurgie in der DDR!

Am 3. April 1962 gelang es Schober und seinen Kollegen mit Hilfe weiterer erfahrener Ärzte, ihren Traum von einer Herzoperation am offenen Herzen mit der selbst entwickelten HLM in der damaligen Chirurgischen Universitätsklinik der Martin-Luther-Universität in der Leninallee (heute Magdeburger Straße) zu realisieren: Bei einem Jungen wurde erfolgreich ein Scheidewanddefekt zwischen beiden Vorhöfen verschlossen. Spätestens mit diesem Tag wurde die Chirurgische Universitätsklinik zu einer national und international anerkannten Einrichtung, was sich auch in den von Karl-Ludwig Schober initiierten halleschen herzchirurgischen Symposien widerspiegelte.

Anlässlich seines 60. Geburtstages übergab Schober die Leitung der Herz- und Thoraxchirurgischen Abteilung seinem Schüler, dem Oberarzt und späteren Professor, Rainer Panzner. Prof. Dr. Karl-Ludwig Schober starb im Jahr 1999.

Autor: Manfred Herrmann, 2012

Universitäre Herzchirurgie und Thoraxchirurgie in Halle: Pionierzeit und Wandel

Autor: Heinz Neef, 2020

→ ISBN: 978-3-96063-033-3


Medizingeschichte aus Halle: Herz-Lungen-Maschine Marke Eigenbau

Quelle: Mitteldeutscher Rundfunk (Beitrag vom 05.10.2018)

Link zur MDR Zeitreise


Der hallesche Chirurg Karl Ludwig Schober (1912-1999)

Autor: Klaus-Peter Wenzel, 2012

→ ISBN: 978-3-86237-695-7

 


Karl-Ludwig Schober und die hallesche Herz-Lungen-Maschine

Autoren: Günter Baust unter Mitarb. von Jürgen Bunge
(Hrsg. von Rolf-Edgar Silber), 2011

ISBN: 978-3-89923-277-6